Hinter den Kulissen

„Die Offenbarung des Johannes“ – Musikauswahl

von Florian Pöschel

Zu Beginn des Projektes Johannesoffenbarung (zuerst die Schalen des Zorns) kamen mir als Trompeter Gedanken zu den sieben Posaunen der Apokalypse. Das DIES IRAE, eine Tonfolge die in der Musikgeschichte oft und gern zitiert wird. Eindrucksvoll und erschütternd zum Beispiel in der „Symphonie phantastique“ von Hector Berlioz.

Die Musikauswahl war eine echte Herausforderung. Wie wird man diesem Thema gerecht, welche Musikauswahl trifft man für das Weltgericht? 

Ich beginne von vorne: Was bedeuten die sieben Schalen des Zorns mir persönlich? Was bedeutet mir, einem einzelnen Menschen die Apokalypse?

Es setzt uns wieder ins Verhältnis von uns, als Individuum zu allen Generationen der Menschheit. Wir sind Staub im Wind. Jetzt noch da und in wenigen Augenblicken, Erdgeschichtlich gesehen, entschwunden. Wir können Demut lernen, denn wir sind ohne Macht gegen die Gewalten des Universums, der Natur und alle unsere Taten sind klein im Vergleich zur Größe Gottes.

Das ist einer der Aspekte meines Trompetenspiels, welches ich sehr schätze. Es ist eine perfekte Metapher für das Leben auf der Erde. Ich kann wunderschöne Töne spielen, ich kann laute und leise, heroische und tragische Momente abbilden und in dem Moment, wenn der Ton verklungen ist, lebt er nur noch als Erinnerung in meinen Zuhörern fort. Meine Kunst ist im Moment ihres Verklingens vergangen, wie wir alles vergänglich sind. Sie lebt höchstens in den Erinnerungen meiner Zuhörer fort.

Doch der für mich reizvollste Moment beim Spielen meiner Trompete ist, wenn ich die Seele meiner Zuhörer erreichen kann. Dabei ist es nicht wichtig, was ich gerade spiele, denn das, was zur Seele durchdringt, ist in diesem kurzen Augenblick genau das richtige Stück Musik. Mein persönlicher Anteil an der Apokalypse soll sein, dass ich mit meiner Musik Trost spende, vielleicht Hoffnung gebe und in jedem Fall für mich Trost und Hoffnung finde.

Von diesen Gedanken geleitet habe ich Musik zu den Bildern ausgesucht.

Es beginnt Barock mit einem Largo von Antonio Vivaldi (1678-1741), eine Einstimmung auf die Feierlichkeit der Frage: Wer ist würdig das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen?

Es folgt die Sonate für Trompete und Klavier von Paul Hindemith (1895-1963). Hindemith hat diese im Schatten des dritten Reichs, wenige Wochen nach dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges geschrieben. Näher sind wir der Apokalypse bisher nicht gekommen. Das Werk endet mit dem Choral „Alle Menschen müssen sterben“.

Alle Menschen müssen sterben,
Alles Fleisch vergeht wie Heu,
Was da lebet muss verderben,
Soll es anders werden neu.
Dieser Leib der muss verwesen,
Wenn er ewig soll genesen
Der so große Herrlichkeit,
Die den Frommen ist bereit‘.

Die drei Sätze der Sonate begleiten die Öffnung der Siegel und die vier apokalyptischen Reiter. 

Die „Fanfare for St. Edmundsbury“ von Benjamin Britten (1913-1976) als Anklang an die 4 Engel der Apokalypse bei der Versiegelung der Erde, geschrieben 1956 als antiphonisches Stück für drei Trompeten. 

Für die sieben Posaunen habe ich Stücke aus einer Sammlung von Georg-Philipp Telemann (1681-1767) „Douze Marches Heroiques“ ausgewählt. Dem Ohr gefällig und der Herrlichkeit der Engel angemessen. Die beiden Zeugen begleiten wir mit einem Adagio von Benedetto Marcello (1686-1739).

Das Lied der Überwinder erhält den musikalischen Unterbau von Oskar Frederik Lindberg (1887-1955) mit „Tenk når en gang den tåke er forsvunnet“ (Denk, wenn einmal der Nebel verschwunden ist).

Petr Eben (1929-2007) schrieb als einer der führenden zeitgenössischen Komponisten der Tschechoslowakei die „Fantasia verspertina“ für Trompete und Klavier, die ich als Begleitmusik für „Die Schalen des Zorns“ ausgewählt habe.Zu den letzten Bildern erklingt eine Version von „The trumpet shall sound“ von Georg Friedrich Händel aus dem Messias, arrangiert für Trompete und Klavier. Für den nicht ganz Bibelfesten Zuhörer hier einmal der Text aus dem ersten Korintherbrief 15, 51-57: „[…]es wird die Tromba erschallen und die Toten werden aufstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn die Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und die Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.“